Wieso lieben und hassen wir Tratsch und Klatsch?
Klatsch und Tratsch sind tief in unserer menschlichen Natur verwurzelt und spielen eine bedeutende Rolle in unserer Entwicklung. Obwohl das ein Teil unserer Natur ist, haben wir gemischte Gefühle dazu.
Seit es Sprache gibt, existieren auch Klatsch und Tratsch. Einige Wissenschaftler behaupten sogar, dass sich unsere Sprache vor allem deshalb entwickelt hat, damit wir übereinander reden können! Uns über andere Menschen, der Erlebnisse, Erfahrungen und Verhaltensweisen zu unterhalten, ist tief in uns verwurzelt und ein integraler Bestandteil unserer Natur. Beim Klatsch und Tratsch geht es ja auch um Unterhaltung.
Wenn wir Nachrichten – selbst seriöse – verfolgen, konsumieren wir auch eine Vielzahl an Geschichten über andere Menschen: Zerwürfnisse in königlichen Familien, Skandale und Lügen von Politikern, wer gerade mit wem zusammen ist, der Rosenkrieg zwischen zwei Promis, das düstere Innenleben eines Mörders. Wir lieben Geschichten über das geheime Leben anderer, besonders dann, wenn uns diese Geschichten erlauben moralische Urteile über die Betroffenen zu fällen. «Wie würde ich mit der Situation umgehen?» – «Wie würde ich mich verhalten?» – so reflektieren wir bestehende sittliche Normen und Werte und gleichen sie mit unserem persönlichen Wertesystem ab.
Warum Klatsch und Tratsch so faszinierend sind
Wir unterziehen aber nicht an allen Menschen unsere moralischen Überprüfungen. Zu hören, dass ein trockener Alkoholiker in der Bar XY mit einem Bier in er Hand gesehen wurde, lässt maximal kurz aufhorchen. Diese eher belanglose Information wird interessanter, wenn sich herausstellt, dass dieser Mann ein Prominenter ist oder ein Bekannter. Die Geschichte bekommt damit ei Gesicht, einen Namen.
Es gibt aber auch Geschichten, die uns ganz unabhängig von der betroffenen Person fesseln. Insbesondere Berichte über Menschen, die etwas besonders erlebt, vielleicht sogar lebensbedrohliche Situationen überstanden haben. Das bleibt uns oft deshalb im Gedächtnis haften, weil sie uns Lektionen vermitteln, wie man mit einer bestimmten Situation umgehen kann oder besser nicht, denn sie selbst zu erleben, könnte gefährlich oder kostspielig sein.
Da unser Gehirn nicht unterscheiden kann, ob wir etwas wirklich erleben oder nur erdenken, ermöglicht uns, aus einer sicheren Warte heraus, Lösungen und Strategien für potenzielle, zukünftige Herausforderungen zu entwickeln und einzuschätzen. Wir können uns auf den Umgang mit Haiangriffen, Kneipenschlägereien oder das kluge Anlegen von Ersparnissen vorbereiten, indem wir uns mit Geschichten von Menschen auseinandersetzen, die solche Situationen erfolgreich bewältigt haben.
Wir lieben Klatsch, weil wir Geschichten lieben
Der Evolutionspsychologe Steven Pinker vertritt die Ansicht, dass Menschen, die von Geschichten angezogen werden, evolutionär im Vorteil sind, da das Geschichtenerzählen auf reale Lebenssituationen vorbereitet. Schon ein flüchtiger Blick auf Märchen, Sagen und Legenden zeigt, dass es darum oftmals geht, Lektionen zu erteilen, die uns die Folgen für unsere Entscheidungen vor Augen führen. Die oft düsteren Märchen der Gebrüder Grimm beinhalten zahlreiche Warnungen, die uns motivieren sollen unsere Handlungen zu überdenken, wie zum Beispiel was mit Kindern geschehen kann, die trotz der Warnungen ihrer Eltern auf eigene Faust in den Wald gehen.
Faszination Grusel
Eine ganz besondere Faszination geht für viele von uns aus, wenn wir uns bei Geschichten gruseln dürfen. Viele von uns lieben Thriller, Horror- und Gruselgeschichte – ob als Buch, Spielfilm oder Serie. Und, nicht wenige haben grossen Spass daran sich in Gruselbahnen oder Spukhäusern erschrecken zu lassen. Diese Erlebnisse lösen Gefühle des Schreckens in uns aus, in dem sie Knöpfe in unserem Gehirn drücken, die uns vor möglichen Gefahren warnen. Weil wir wissen uns sicher wissen, da diese Erfahrungen nicht real sind, geniessen wir die durch Grusel ausgelösten Gefühle. Mehr noch, die Geschichten ermöglichen uns mentale Flucht- und Überlebensstrategien auszudenken und einzuüben. Zudem lehren sie auch etwas über unsere eigenen Stärken und Schwächen.
Klatsch – geliebt und gehasst
Vielleicht liegt es gerade an der einzigartigen Faszination, die der Klatsch auf uns Menschen ausübt, dass wir eine ambivalente Beziehung dazu haben: Wir verabscheuen Klatschmäuler, aber noch mehr fürchten wir es, Zielscheibe von Klatsch und Tratsch zu werden oder auch von Klatsch-Kreisen ausgeschlossen zu werden. Deshalb neigen viele dazu, Klatsch als Aktivität „anderer“ Menschen zu betrachten. Wenn wir selbst Klatsch betreiben, glauben wir hingegen oftmals lediglich „Bedenken zu äussern“ oder „wichtige Informationen weiterzugeben“. Die Grenzen zwischen allgemeinem Austausch und Tratsch können verschwommen und subjektiv sein. Dennoch hängt es nicht nur von der Wahrnehmung des Betrachters ab, ob das Gerede über andere als harmlos oder Gelästere betrachtet werden kann.
Frei nach der Goldenen Regel „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“, dem Grundsatz der praktischen Ethik, sollten wir darauf achten, was und wie wir über andere Menschen erzählen: „Spreche so über andere, wie Du auch andere von Dir sprechen hören möchtest.“
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