So schützt man sich vor (Social-Media-)Neid
Neid entsteht vor allem dann, wenn man den Alltag der beneideten Menschen übersieht. Vertrackt ist, dass Neid dieses Übersehen verstärkt und kaum jemand Bilder seines Scheiterns in den sozialen Medien postet.
Schaut man sich in den sozialen Medien um, könnte man glauben, dass alle – aber wirklich absolut alle – mehr Spass und herausragende Momente erleben als man selbst. Hier das neue Auto, dort das extravagante Drei-Gänge-Menü, und dann die vielen Fotos von den traumhaften, erlebnisreichen, entspannten und garantiert harmonischen Ferienreisen. Ja, manchmal können die sozialen Medien einem richtig die Laune verderben. Dabei meinen es die meisten sicherlich gut und wollen nicht Neid schüren, sondern einen schönen Moment und ihre Begeisterung für etwas mit anderen teilen.
Die Kirschen in Nachbars Garten
Neid ist eine sehr menschliche Empfindung – so verpönt wie weit verbreitet. Sein Ursprung liegt im Vergleich mit anderen. Ob Erfolg, Geld oder Glück in der Liebe – wenn wir sehen, dass jemand etwas hat oder besitzt, das wir auch gerne hätten, dann werden wir schnell grün vor Neid. Dabei muss Neid nicht per se schlecht sein. Durch ihn erkennen wir, was wir uns wünschen und woran es uns mangelt. Er kann uns motivieren, härter an uns zu arbeiten und über uns hinauszuwachsen.
Leider ist Neid aber vor allem ein destruktives Gefühl, das weder uns noch anderen wohltut. Beispielsweise haben Neidforscher herausgefunden, dass sich die meisten Neider ausgerechnet im Freundes- und Bekanntenkreis befinden. Zu erleben, wie nahestehende Menschen die eigenen Erfolge kleinreden, schmerzt. Genauso verletzend ist es für andere, wenn man ihnen aus Neid Steine in den Weg legt.
Fokussierungsillusion
Wir tendieren dazu, sowohl den Alltag wie auch mögliche Schwächen von Menschen zu ignorieren, die wir beneiden. Stattdessen sehen wir nur die herausragenden Ereignisse oder Errungenschaften. In der Wissenschaft nennt man dieses Phänomen Fokussierungsillusion. Es wurde kürzlich von einer Forschungsgruppe um Ed O’Brien von der University of Chicago Booth School of Business genauer unter die Lupe genommen.
In einer Studie wurden Probanden gebeten, an eine Person aus ihrem Leben zu denken, die sie beneideten, und im Detail zu erklären, warum sie diesen Neid empfinden. Danach musste ein Teil der Gruppe eine Art fiktives Tagebuch der beneideten Person verfassen. Ihre Aufgabe bestand darin, sich einen realistischen, durchschnittlichen Tag der anderen Person vorzustellen und für jede Stunde des Tages aufzuschreiben, was sie gerade möglicherweise tut.
Die Idee der Aufgabe war, den Studienteilnehmern die alltäglichen Momente der beneideten Person vor Augen zu führen (etwa schlafen, Zähne putzen oder zur Arbeit fahren). Die anderen Teilnehmer der Studie mussten diese Tagebuch-Aufgabe nicht machen. Eine Kontrollgruppe schrieb solche Tagebuchaufzeichnungen für eine neutrale, ganz durchschnittliche Person aus ihrem Leben.
Zum Schluss wurden alle Probanden gebeten anzugeben, wie sehr sie die vorgestellte Person um ihr Leben beneideten, und einzuschätzen, wie gross die Anteile guter, neutraler und schlechter Momente im Leben dieser Person seien.
Ein guter Schuss Realismus verwässert den Neid
Die Ergebnisse der Studie waren, dass sich die Probanden ohne Tagebuch auf die positiven Momente der beneideten Personen fokussiert hatten und damit mehr Neid empfanden als die Teilnehmenden, die an eine durchschnittliche Person gedacht hatten. Hingegen empfanden die Probanden mit der Tagebuch-Aufgabe weniger Neid als diejenigen, die diese Aufgabe nicht erfüllen mussten. Um seinen Neid zu überwinden, hilft es also, sich die alltäglichen Herausforderungen und Tiefpunkte der beneideten Person vorzustellen.
Dieser Schuss Realismus ist umso wichtiger, wenn man sich viel in sozialen Medien bewegt: also dort, wo eher ein Image gepflegt als ein realistisches Bild des tatsächlichen Lebens vermittelt wird. Ed O’Brien konnte feststellen, dass bereits empfundener Neid die Fokussierungsillusion sogar noch verstärkt. Sprich: Je mehr wir jemanden beneiden, desto stärker tendieren wir dazu, seine Alltagsaufgaben und alltäglichen Probleme auszublenden.
Die gute Nachricht!
Zwar können uns die Posts in sozialen Medien zu einem ständigen Vergleichen verführen und schlimmstenfalls in einen Teufelskreis bringen: Einerseits erleben wir Neid, weil wir den schnöden Alltag einer anderen Person übersehen und nur auf deren Erfolge schielen. Andererseits vergessen wir die alltäglichen Schwächen und Herausforderungen dieser Person, je mehr Neid wir empfinden. Glücklicherweise können wir dem erfolgreich entgegensteuern, indem wir uns vergegenwärtigen, dass auch die beneideten Personen sich durch den alltäglichen Dschungel aus Problemen, Misserfolgen und Langeweile schlagen müssen.
Mehr erfahren
Universität Mannheim: https://www.uni-mannheim.de/forschung-erleben/artikel/auch-die-strahlende-instagramerin-probiert-manch-mal-versehentlich-verdorbene-milch/
O’Brien, E., Kristal, A. C., Ellsworth, P. C., & Schwarz, N. (2018). (Mis)imagining the good life and the bad life: Envy and pity as a function of the focusing illusion. Journal of Experimental Social Psychology, 75, 41–53. doi:10.1016/j.jesp.2017.10.002
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