Wie man eine verlorene Freundschaft wiederbelebt
Ehemalige Freunde nehmen einen besonderen Platz in unserem Herzen ein. Wir haben mit ihnen gelacht und gelitten. Nach längerer Funkpause wieder mit jemandem in Kontakt zu treten, den man einstmals gut kannte, kann verwirrend sein. Man glaubt, eine Menge über den anderen zu wissen, und trifft doch auf einen Fremden. Das Geflecht an Gefühlen lässt sich entknoten, so dass Raum für eine mögliche neue Freundschaft entstehen kann.
Es schmerzt, wenn eine Freundschaft verblasst. Man hat so viele gemeinsame Stunden verbracht und gegenseitig an der jeweiligen Biographie mitgeschrieben. Einem Bericht des US-amerikanischen Magazins „Journal of Social and Personal Relationships“ zufolge braucht es 50 Stunden gemeinsam verbrachter Zeit, bis aus einem Bekannten ein Freund geworden ist. Es kann mehr als 200 Stunden an gemeinsamen Aktivitäten und alltäglichen Gesprächen dauern, bis man zu besten Freunden geworden ist.
Versandet dann eine solche Freundschaft oder zerbricht sie an einem Streit, geht das an niemandem spurlos vorbei. Die ehemalige Vertrautheit wiederzubeleben ist schwieriger, als eine ganz neue aufzubauen. Die Nähe zu jemandem zu suchen, mit dem wir einstmals eng verbunden waren, passt zudem nicht in diesen 50/200-Stunden-Rahmen, sondern folgt eigenen Gesetzen. Das mag der Grund sein, warum es so schwerfällt, den ersten Schritt zu machen, obwohl ja die meisten Menschen nur eine SMS, eine E-Mail oder einen Anruf von uns entfernt sind.
Ein guter Grund kann Türen öffnen
Jemanden nach langer Zeit wieder anzusprechen braucht Mut. Beim ersten Schritt hilft es, einen Anknüpfungspunkt zu haben, der die Beziehung organisch wiederbelebt. Etwas, über das man sich locker austauschen kann. Machen Sie bloss nicht den Grund des Kontaktabbruchs zum Aufhänger. Das kann irgendwann mal besprochen werden, aber nicht, solange das Pflänzchen noch klein und sehr verletzlich ist.
Wenn Sie derzeit ähnliche Lebensphasen durchlaufen, könnten Sie den anderen um Rat oder eine Empfehlung bitten. Menschen helfen gern. Wichtig ist dabei, ehrlich und offen zu sein. Der Vorteil dieser gezielten Gespräche ist, dass sie eine Verbindung ermöglichen, ohne aufdringlich oder neugierig zu wirken. Social Media wie Facebook oder Instagram können Ihnen einen ersten Überblick verschaffen, wie es Ihrem ehemaligen Freund geht und was er heute macht, so dass man leichter einen Anknüpfungspunkt findet. Möglicherweise erfahren Sie auch, dass das Timing für die Wiederbelebung im Moment nicht optimal ist, weil er oder sie gerade eine schwierige Zeit hat oder auf Weltreise ist.
Geben Sie dem anderen die Möglichkeit nachzudenken
Sicher, zum Telefonhörer zu greifen ist schnell, direkt und spricht für Ihren ehrlichen Wunsch, wieder mit dem anderen in Kontakt zu treten. Es kann die andere Person aber auch sehr überrumpeln und unter Druck setzen. Eine kurze E-Mail zu schreiben ist daher besser für den ersten Kontakt als ein Anruf oder eine SMS. Geben Sie dem anderen die Möglichkeit, darüber nachzudenken, was er oder sie möchte. Nur weil ich bereit bin, eine Freundschaft wiederzubeleben, heisst das nicht, dass die andere Person das auch will oder im Moment dazu bereit ist. Machen Sie sich bewusst, dass Sie bereits viel darüber nachgedacht haben, die Freundschaft wiederzubeleben. Die andere Person könnte es hingegen ganz unvorbereitet treffen.
Lassen Sie sich Zeit
So wie die wenigsten Menschen in den ersten zehn Minuten eines Vorstellungsgesprächs nach dem Urlaubsanspruch fragen oder gleich bei der ersten Verabredung einen Heiratsantrag machen, sollte man auch beim Wiederbeleben einer eingerosteten Freundschaft langsam vorgehen. Statt davon auszugehen, dass sich sofort wieder die alte Vertrautheit einstellt, achten Sie darauf, den anderen nicht zu überfordern. Sparen Sie daher sensible Themen aus, etwa intime Details Ihrer Beziehung oder Ihre Finanzen. Es braucht Erfahrung und Zeit, um Vertrauen zu einer anderen Person aufzubauen, egal ob es sich um einen alten oder einen neuen Freund handelt.
Nehmen Sie sich Zeit, um einander wieder in Ihr Leben zu bringen. Viele kleine Interaktionen und Gespräche helfen, sich gegenseitig zu beschnuppern, um wieder Vertrauen in den anderen zu fassen. Starten Sie vielleicht mit einer Einladung zu einer kleinen Party, um sich dann beim nächsten Mal nur zu zweit zu treffen. Versichern Sie sich zudem lieber in aller Ruhe, dass die Freundschaft auf einem soliden Fundament steht, bevor Sie die neue alte Freundin Ihrer Familie und Ihrem Freundeskreis vorstellen. Wenn am Ende vielleicht die Luft doch derart raus sein sollte, dass kein Belebungsversuch fruchtet, ist die Enttäuschung weniger gross.
Seien Sie aufmerksam
Der Wunsch nach Wiederbelebung kann leider einseitig sein. Seien Sie daher dem anderen gegenüber aufmerksam. Manche stimmen vielleicht nur aus Höflichkeit einem Treffen zu, oder Sie interpretieren Gesten und Aussagen falsch, weil Sie sich nach der alten Freundschaft sehnen. Ihr Wunsch, Ihre Euphorie oder Ihr Optimismus können leicht die Warnsignale übersehen lassen, die der andere ausstrahlt, wenn er sich unsicher ist oder im Grunde seines Herzens keinen neuerlichen Kontakt will.
Machen Sie Pläne
Beenden Sie das erste Treffen nicht mit einem „War schön, lass uns das irgendwann mal wieder machen“. Die Unverbindlichkeit kann der erneute Todesstoss sein. Wenn Sie die Beziehung wirklich wiederbeleben wollen, dann schlagen Sie nächste Treffen oder Aktivitäten vor. Versuchen Sie, einen kontinuierlichen Austausch zu etablieren. Freundschaft lebt von Begegnungen und regelmässigen Treffen. Ohne eine gewisse Routine bleibt die Beziehung wahrscheinlich wieder auf der Strecke.
Seien Sie offen, egal, was kommt
Es gibt Fälle, da ist die Freundschaft nach der Versöhnung inniger als je zuvor. Oft ist die neu entfachte Bindung jedoch weniger eng als vor dem Auseinanderbrechen. Es braucht zwei, um eine Freundschaft zu beginnen und aufrechtzuerhalten, aber nur einen, um sie zu beenden.
Erwartungsmanagement ist hier gefragt, vor allem weil es eine Vielzahl von Gründen geben kann, warum der andere die Freundschaft nicht gleichfalls beleben möchte oder kann. Vielleicht kommt Ihr Gegenüber nicht über bestimmte Verletzungen hinweg. Der Grund hat vielleicht gar nichts mit Ihnen zu tun, sondern einfach nur etwas mit dem Timing. Möglicherweise ist die andere Person stark eingebunden, sodass ihr schlichtweg die Zeit fehlt. Wie auch immer die Wiederbelebung verlaufen mag, üben Sie sich in Akzeptanz und Selbstmitgefühl, wenn die Dinge nicht wie gehofft verlaufen. Manchmal soll es halt nicht sein – dieses Wissen hilft, die Trauer und den Herzschmerz zu minimieren.
Mehr erfahren
Hall, H. A.: How many hours does it take to make a friend?, Journal of Social and personal Relationships, 2018.
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