Warum Small Talk zu guten Gesprächen führen kann

Warum Small Talk zu guten Gesprächen führen kann

Warum Small Talk zu guten Gesprächen führen kann

Warum Small Talk zu guten Gesprächen führen kann

Small Talk hat einen zweifelhaften Ruf: Manche sagen, er sei banal, oberflächlich, unwichtig. Dabei ist Small Talk mehr als nur Geplänkel ohne Tiefgang. Er ist ein soziales Schmiermittel, das Begegnungen auflockern und das persönliche Wohlbefinden steigern kann.

Ohne Gespräche kann der Mensch nicht leben. Sie sind lebenswichtig für uns, denn sie nähren uns und sorgen für den sozialen Kitt. Eine typische Gesprächsform ist der Small Talk – auch bekannt als Plauderei, Plausch oder Schwätzchen. Darin geht es meist um alltägliche Dinge, die beiläufig behandelt werden und wenig Tiefgang haben. Das Oxford English Dictionary definiert Small Talk als „höfliche Konversation über unwichtige oder unumstrittene Angelegenheiten, insbesondere bei gesellschaftlichen Anlässen“.

Ist Small Talk so schlecht wie sein Ruf?

Small-Talk-Hasser nutzen als wissenschaftliche Grundlage gern eine Studie des Psychologen Matthias Mehl und seiner Kollegen, die 2010 in Psychological Science veröffentlicht wurde. In Mehls Studie trugen 79 Studenten ein elektronisches Gerät bei sich, das vier Tage lang in zufälligen Intervallen eine 30-Sekunden-Aufzeichnung von allen Gesprächen machte, was zu fast 24.000 Aufnahmen führte, ungefähr 300 pro Teilnehmer.

Anschliessend wurden alle erfassten Konversationen entweder als Small Talk (ca. 18 Prozent aller aufgezeichneten Gespräche) oder als inhaltlich aussagekräftige Konversation eingestuft (etwa 36 Prozent). Die verbleibenden Gespräche konnten nicht eindeutig einer der beiden Kategorien zugeordnet werden.

Zu schnell gefasste Schlussfolgerung

Zeitgleich füllten die Teilnehmer eine Reihe von Fragebögen aus, mit denen ihre Zufriedenheit und ihr Wohlbefinden gemessen werden sollten. Es stellte sich heraus, dass ein höheres Mass an Wohlbefinden mit weniger Small Talk und mehr tiefgründigen Gesprächen verbunden war. Eine der Schlussfolgerungen, die viele aus diesen Ergebnissen zogen, war, dass Small Talk das Wohlbefinden beeinträchtigt.

Mehl wiederholte seine Studie jedoch 2018 mit einer viel grösseren Stichprobe und einer differenzierteren Analyse der Daten. Grund war, wie er selbst anmerkte, dass die kausale Richtung der Ergebnisse nicht wirklich klar war. Diesmal kam er zu dem Schluss, dass Small Talk die Zufriedenheit nicht untergräbt. Ganz im Gegenteil, die Ergebnisse zeigten, dass diese kleinen, scheinbar unbedeutenden Plaudereien mit mehr Glück verbunden sind, als wenn man sich mit niemandem unterhalten kann und allein ist.

Mit anderen Worten: Es ist besser, einen kleinen Schwatz zu halten, als sich überhaupt nicht zu unterhalten. Menschen sind glücklicher, wenn sie mit anderen sprechen – mit ihnen in Kontakt und somit in Resonanz sind. Das kann auch ein Gruss oder ein Lächeln sein.

Small Talk als soziale Fähigkeit

Es ist nicht sinnvoll, gehaltvolle Gespräche mit Small Talk zu vergleichen und das Für und Wider gegeneinander aufzurechnen. Spaghetti Napoli können genauso lecker schmecken wie ein Festtagsmenü. Besser ist es, ein Gespür dafür zu entwickeln, beide Gesprächsformen in unseren sozialen Interaktionen geschickt anzuwenden und so effektive Beziehungen aufzubauen. Small Talk kann der Baustein sein, um zukünftige, tragfähige Beziehungen zu konstruieren. Stellen Sie sich daher Small Talk wie ein Werkzeug vor, das eine Beziehung mit erschafft und definiert.

Es geht darum, aus Worten eine gemeinsame Grundlage zu schaffen – eine gemeinsame Realität. Manche dieser Gespräche werden nichts weiter sein als Oberflächlichkeiten. Sie müssen deswegen aber weder unangenehm noch unnütz sein. Small Talk ist ein lebenswichtiger, sozialer Kitt, ohne den unsere geistige Gesundheit und unsere Beziehungen wahrscheinlich verarmen würden. Der Brite Justin Coupland stellte durch eine seiner Studien fest, dass selbst Menschen, die sich kaum bis gar nicht kennen, beim telefonischen Austausch von Höflichkeiten eine emotionale Verbindung herstellen.

Alles hat seine Zeit

Aus der griechischen Mythologie sind uns zwei Götter der Zeit bekannt. Chronos ist der Gott der Zeitmessung, Kairos der Gott des richtigen Augenblicks. Er ist die personifizierte Gelegenheit, die es am Schopf zu packen gilt, bevor sie vergangen ist. Viele Zwei-Minuten-Zufallsbegegnungen auf der Strasse mögen Ihrem Leben im Moment des Zusammentreffens keinen essenziellen Mehrwert geben, und dennoch bergen manche davon das Potenzial für mehr Nähe und Tiefe.

Es ist besser, einen kurzen Small Talk zu führen als gar kein Gespräch. Zum einen freut sich der andere über eine kurze Aufmerksamkeit. Zum anderen weiss man zu Beginn eines Gesprächs nicht, wohin es uns führen könnte. Der Begegnung von Anfang an aus dem Weg zu gehen lässt jede gute Gelegenheit im Keim ersticken.

Gute Small-Talk-Themen

Gleich vorweg: Schämen Sie sich nicht, etwas wissen zu wollen. Sicher, es gibt Themen, die man zu Beginn einer Bekanntschaft noch aufschieben sollte, aber grundsätzlich ist Interesse am anderen – sofern nicht sensationslüstern oder hinterhältig – positiv.

Ein hilfreicher Tipp ist, als Gesprächsaufhänger etwas in der unmittelbaren Umgebung zu verwenden, denn das haben Sie schliesslich immer gemeinsam. Vielleicht ein Bild, die Wandfarbe, die Aussicht oder eine schöne Tasche. Sich auf die unmittelbare Gegenwart zu konzentrieren ist oft eine gute Möglichkeit, ein Gespräch mit einer positiven Note über etwas zu beginnen, zu dem Sie beide möglicherweise etwas zu sagen haben.

Aufbauend auf seinen Untersuchungen weist Justin Coupland darauf hin, dass Small Talk eine Fähigkeit ist, die jeder erlernen kann. Schauen Sie guten Small-Talkern zu, und lernen Sie von ihnen. Wie beginnen sie das Gespräch, wie ist ihre Körperhaltung, ihre Mimik? Beobachten Sie, und probieren Sie es selbst aus.

Mehr dazu

Coupland, J. (2003). Small talk: Social functions. Research on Language and Social Interaction, 36(1), 1-6. doi:10.1207/S15327973RLSI3601_1

Mehl, M. R., Vazire, S., Holleran, S. E., & Clark, C. S. (2010). Eavesdropping on happiness: Well-being is related to having less small talk and more substantive conversations. Psychological Science, 21, 539-541.

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4 thoughts on “Warum Small Talk zu guten Gesprächen führen kann

  1. Sue

    Danke für diesen kleinen Reminder!
    Ich versuche (gerade auch zu Corona-Zeiten, in denen ich viel im Homeoffice bin und dadurch an manchen Tagen echt wenige persönliche Gespräche führen kann) immer mal wieder einen kleinen Schwatz mit Unbekannten (z.B. der Verkäuferin, Begegnungen auf der Strasse) zu halten. Komme mir aber nicht selten etwas blöd/unbehaglich vor dabei

  2. Klapper Christel

    Liebe Silke, alle Ihre Blogs sind super interessant, ansprechend und treffen i.d.R. den Nerv der Zeit! Als (u.a.) Kommunikationstrainerin und großer Fan der EC-Embodied Communication werde ich diesen Beitrag in mein Repertoire aufnehmen; sozusagen als „Amuse Bouche“ eines Komm.-Trainings! Vielen Dank dafür.
    Und – um auf die aktuelle, „maskierte Normalität“ zu schauen: da unser Lächeln leider nicht wahrgenommen werden kann, sollten wir uns trauen, Worte an unsere Mitmenschen zu richten, um die Mini-Streicheleinheit des Wahrnehmens und des Wahrgenommen-Werdens zu verschenken; gerade die Mitmenschen in den diversen Warteschlangen vor mir und hinter mir, nehmen das gerne an!
    Bleiben Sie gesund und munter, herzlich, Christel

  3. Silke Weinig Post author

    Liebe Sue
    Vielen Dank für Ihren Beitrag.
    Mir geht es manchmal ähnlich: maskiert lässt es sich recht anonym einkaufen.
    Die ein oder andere Verkäuferin ist da bei einem kurzen Schwatz ganz raus aus dem schweigsamen Tageskonzept.
    Nichtsdestotrotz erleben ich dann, dass sie sich freuen.
    Deswegen habe ich mir gedacht: einfach dran bleiben!
    Und, wenn es mal ganz verunglücken sollte (was sehr selten ist), dann ist es gut sich daran zu erinnern, dass das nur eine Momentaufnahme ist.
    Die selbe Person in einem anderen Moment freut sich vielleicht über die kleine Aufmerksamkeit.
    Herzliche Grüsse,
    Silke

  4. Silke Weinig Post author

    Liebe Christel
    Ganz herzlichen Dank für Ihre Worte! Ich freue mich sehr, dass Ihnen meine Beiträge so gut gefallen.
    Mir hat kurz vor Weihnachten eine ganz bemerkenswerte Frau etwas geschrieben, was mich sehr zum Nachdenken angeregt hat:
    „Da die Menschen Masken tragen, nehme ich nun den ganzen Mensch wahr – von Kopf bis Fuss – und nicht nur das Gesicht“.
    Das hat mich daran erinnert, dass es von unserer Perspektive abhängt, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen.
    Von daher kann ich nur anregen kleine Mini-Wahrnehmungs-Streicheleinheiten zu verschenken!
    Herzliche Grüsse
    Silke
    PS: Für diejenigen, die es interessiert: die besagte Frau ist Brigitta Schröder, Expertin für Menschen mit Demenz. Ihr Lebenscredo ist der Perspektivwechsel. Mehr zu ihr unter: https://www.demenz-entdecken.de/

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