Vier Tipps, wie man auch unter Stress konstruktiv streiten kann
Heftige Auseinandersetzung kommen ist allen Partnerschaften vor – auch in sehr harmonischen. Zu streiten ist ja auch nichts Schlimmes – Streit kann Klarheit schaffen und Missstände aufzeigen. Jedoch funktioniert das nur, wenn weder beleidigt noch verletzt wird. Doch wie geht das – vor allem dann, wenn man gestresst und angespannt ist?
Keine Beziehung verläuft immer nur harmonisch. Dabei sind Streitereien nicht per se negativ. Sie können sogar förderlich sein, denn sie bieten Chancen und Möglichkeiten zu positiven Veränderungen, da sie die jeweiligen Bedürfnisse, Erwartungen und Ziele offenlegen. Streit wird erst dann zum Störfaktor, wenn sich die Partner anschreien, beleidigen oder Vorwürfe machen.
Debatten konstruktiv zu führen, ist ein hehres Ziel, das in ruhigen und entspannten Zeiten immer noch anspruchsvoll genug ist aber sicherlich besser gelingt als wenn man unter Stress steht. Im Moment erleben wir alle einen Anstieg an Stress – manche mehr, manche weniger. Alltagsroutinen werden auf den Kopf gestellt und ständig muss man sich an veränderte Umstände anpassen. Corona-Virus und Existenzängste, Home Office, Homeschooling, ständig an soziale Distanz, Desinfektionsmittel und Mund-Nasen-Masken denken – das stresst! Bisher unbekannte Sorgen und Nöten bahnen sich ihren Weg und zehren an den Nerven. Wie will man da in Auseinandersetzungen ruhig bleiben und konstruktiv streiten?
1. Nennen Sie es beim Namen
Kennen Sie das auch, dass man manchmal aus der schlechten Laune heraus einfach mal eben so streiten möchte? Irgendwie braucht es dann einen Blitzableiter, der den gesamten Missmut des Tages abbekommt. Oder man verstummt total und brummt vor sich hin. Wie auch immer – beides ist sehr ungerecht gegenüber dem Partner und eine schlechte Basis für Streitgespräche.
Erkennen Sie an, dass Sie gestresst sind und dieser Stress auf Ihre Laune schlägt. Ermitteln Sie auf einer Skala von eins bis zehn wie hoch gerade Ihr Stresslevel ist. Bennen Sie dann den Grund – vielleicht sind Sie gerade davon genervt, dass Ihre Brille andauernd beschlägt, wenn Sie Ihre Mund-Nase Maske tragen? Oder Sie haben gerade einen super nervigen Anruf erhalten? Möglicherweise ist es ein diffuser Weltschmerz, der Ihnen übel zusetzt? Je besser, wir wissen, was uns stresst, desto besser können wir damit umgehen und Gegenmassnahmen ergreifen.
Sagen Sie Ihrem Partner, dass Sie gestresst sind und was der Grund dafür ist. Das schützt davor unnötige Grabenkämpfe um nichts zu führen und hilft Dinge nicht persönlich zu nehmen. Stattdessen wird dem anderen klar sein, dass Sie nicht in der besten Verfassung sind um eine hitzige Debatte zu führen. Bestenfalls werden Sie über die Quelle Ihres Stresses sprechen und so eine Lösung finden.
2. Was wollen Sie erreichen?
Überlegen Sie sich, was Sie mit dem Gespräch erreichen wollen? Möchten Sie sich einfach nur austauschen? Brauchen Sie Rat oder eine zweite Meinung? Oder wünschen Sie sich von Ihrem Partner eine Veränderung? Vielleicht brauchen Sie einfach nur Bestätigung und Ermutigung?
Wenn Ihr Partner eine bessere Vorstellung davon hat, worum es Ihnen geht, weiss er besser, was er tun kann. Stress kann es schwierig machen zu wissen, was der andere braucht und wie man den anderen hilfreich zur Seite stehen kann.
3. Bleiben Sie bei einem Thema
Wenn sich Stress einschleicht, kann es zu einem Ansturm von Gedanken und Emotionen kommen, die uns überwältigen. Da schnellen Gedanken im Millisekundentakt hervor, die gar nichts mit dem Thema zu tun haben und schon ist man bei Vorwürfen und unnötigen Scharmützel, die den Streit nur anheizen. Das liegt daran, dass unsere Gefühle das Gespräch übernommen haben und wir uns jetzt auf sie konzentrieren, anstatt auf das vorliegende Problem.
Behalten Sie also immer das primäre Ziel im Auge. Wenn Sie feststellen, dass Sie Themen-Hopping betreiben, dann erfassen Sie die Ablenkung und kommen Sie zum ursprünglichen Thema zurück. Sie können etwa sagen: „Ich habe festgestellt, dass wir vom Kurs abgekommen sind. Konzentrieren wir uns neu.“ Kehren Sie dann zum ursprünglichen Thema zurück. Das verlangsamt das Gesprächstempo, was ebenso dazu beiträgt, dass beim Thema bleiben.
4. SAG ES Methode
Eine effektive Methode, um sowohl ein Gespräch vorzubereiten, wie auch beim Thema zu bleiben, bietet die SAG ES Methode. S steht für Sachverhalt: Worum geht es genau? Was genau ist die Ursache für das Ärgernis? A steht für Auswirkung: Wie wirkt sich das Problem aus? G steht für Gefühl: Wie fühlen Sie sich dann? E steht für «Empfindung des anderen einholen» («Wie siehst Du das?») und S bedeutet «Schlussfolgerung finden» («Was können wir ab sofort tun?»).
Die Reihenfolge S, A und dann erst G ist ungewohnt, aber erkenntnisreich! Die Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und der Auswirkung mag eine trockene Übung sein, bringt aber Klarheit. Allzu schnell konzentrieren wir uns auf unsere Gefühle, was der andere als Vorwurf oder Angriff verstehen kann. Besser ist es einen kühlen Kopf zu bewahren (oder zu bekommen) und sachlich zu klären.
Ein letzter Tipp
Nutzen beim Argumentieren nur wenige Argumente und konzentrieren Sie sich auf die jeweiligen Auswirkungen. Das gilt umso mehr, wenn Sie Ihren Partner überzeugen wollen. Wählen Sie dabei Ihre Worte mit Bedacht. Vermeiden Sie Reizwörter wie immer, ständig, nie. Bei vielen klingeln sofort die Alarmglocken, weil sie Vorwürfe wittern. Abgesehen davon, dass man den anderen mit diesen Wörtern sehr wahrscheinlich verärgert, ist die Gefahr hoch, dass das Gespräch eine Wendung nimmt, die man nicht will. Statt über das Thema spricht man dann über den Vorwurf.
Üben, üben, üben
Kein (Kommunikations-)Meister ist vom Himmel gefallen und selbst Experten fällt es unter Stress schwer konstruktiv zu bleiben. Mit Übung und Beharrlichkeit können Sie jedoch viel erreichen – nicht nur stürmische Streitereien in ruhige Fahrwasser führen, sondern auch Ihre Beziehung und Ihre Kommunikationsfähigkeiten stärken.
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