Wieso Selbstbestimmung gepflegte Langeweile braucht!
Das olympische Credo „schneller, weiter, höher” bestimmt mittlerweile selbst die banalsten Bereiche unseres Alltags. Wie kommt das? Warum sind wir ständig so betriebsam? Es heisst doch «In der Ruhe liegt die Kraft».
Vielleicht haben Sie am Montagmorgen schon einmal Ähnliches gehört: „Was für ein Wochenende! Jede Minute haben wir genutzt: Freitag Konzert, Samstag Museum und gestern gab es eine Wanderung. Und, was hast du gemacht?” Wer traut sich da noch zuzugeben, nichts gemacht zu haben?
Die meisten füllen da lieber ihr Nichtstun mit einer beschaulichen Tätigkeit: «Ich habe ausgiebiges Couch-Surfing betrieben.». Klingt irgendwie besser als: «Ich lag den ganzen Tag auf der Couch und hab’ nix gemacht.» Wieso eigentlich? Wieso ist es den meisten Menschen ein Grundbedürfnis, als handelnder Mensch in der Welt zu stehen?
Wieso sind wir ständig so betriebsam?
Es scheint, dass es uns ein grosses Bedürfnis ist, gebraucht zu werden und nützlich zu sein. Zudem leben wir in einer Gesellschaft, in der eine prall gefüllte Agenda Wichtigkeit verkündet. In der mit Raubbau am Körper, 70-Stunden-Wochen und wenig Schlaf angegeben wird.
Ob im Beruf oder in der Freizeit ständig herrscht die Diktatur der effizienten Zeitnutzung. Pausen müssen effektiv überbrückt und unsere Freizeit aktiv und sinnvoll genutzt werden. Bloss keine Langeweile aufkommen lassen!
Lieber Folter als Langeweile
Es gibt ein bekanntes Experiment von Timothy Wilson, einem US-Sozialpsychologen. In seinem Versuch mussten sich Teilnehmer in ein Wartezimmer setzen und dort auf „unbestimmte Zeit“ warten (es waren maximal 15 Minuten). Bevor sie in das Zimmer gingen, mussten sie alle Ablenkungsmöglichkeiten abgeben, also Lesestoff, SmartPhones, Tablets etc. Die einzige Möglichkeit, sich im Wartezimmer abzulenken, bestand aus einem Apparat, durch den man sich schmerzhafte Stromstösse verabreichen konnte.
Unglaublich, aber wahr: der Grossteil der Versuchsteilnehmer unterzog sich einer persönlichen Folter! 67 Prozent der männlichen und 25 Prozent der weiblichen Teilnehmer gaben sich während des 15-minütigen Versuchs aus freien Stücken mindestens einen Elektroschock, meistens mehr. Spitzenreiter war ein Mann, der sich 190 Elektroschocks verabreichte!
Unser Gehirn braucht Ruhe!
Wieso mögen Langeweile so wenig? Wir wissen doch alle, wie wichtig Ruhephasen sind. Das bestätigen uns Wissenschaftler aller Sparten. Erkenntnisse aus Neurowissenschaft und Psychologie sprechen eine klare Sprache: Unser Gehirn braucht Zeiten der absoluten Ruhe!
Ruhephasen zu vernachlässigen, führt zu Stress und Rastlosigkeit. Chronische Geschäftigkeit ist kontraproduktiv und schädigt unsere Gesundheit. Sie wirkt zum Beispiel schädigend auf unser Herz-Kreislauf-System, auf das Immunsystem, den Hormonhaushalt und die Fettverbrennung.
Die Zeit der Ruhe ist für den, der seine Aufgabe vollendet hat, daher eine Notwendigkeit. Regelmässiges Nichtstun ist die Voraussetzung für Gesundheit, Selbsterkenntnis und Kreativität.
Langeweile und Müssiggang verhelfen zu mehr Selbstbestimmung
Es gibt ausreichend wissenschaftliche Befunde, die nachweisen, dass Phasen von Müssiggang erholsame und kreative Zeiten für unser Gehirn sind. Wer hat noch nie die Lösung eines schwierigen Problems bei einem Spaziergang gefunden, während er vor sich hinträumte und dem Vogelgezwitscher lauschte?
Langeweile und Müssiggang können uns lehren herauszufinden, wer wir sind und was wir wollen. Nichts zu tun und von nichts stimuliert zu werden, kurzum: sich zu langweilen, birgt eine Chance: die Konfrontation mit uns selbst.
Allein die Reflexion, wieso man sich gerade langweilt und was langweilt, kann erhellend sein. Diese Selbstdiagnose bietet eine Chance herauszufinden, was man braucht und was einem wichtig ist. Man kann in diesen Momenten des Nichtstuns nachsinnen, wo man Lücken spürt und was einem guttut. Kurzum, darüber nachdenken, was man will – wirklich will.
Jeder kann das – nichts tun! Also, lasst uns damit anfangen!
Wenn wir mehr Müssiggang zulassen – ihn gar zelebrieren –, dann haben wir die Chance herauszufinden, wer wir sind und was wir wollen. So führt also Müssiggang zu mehr Selbstwirksamkeit und Handlungsfreiheit.
Klingt paradox, ist aber so.
Vielen Dank für den Text.
Immer mehr Personen wünschen sich ein selbstbestimmtes Leben, sind aber aus verschiedensten Gründen nicht bereit Stille und Müßiggang mit sich selber erst auszuhalten. Für viele ist es sogar unerträglich!
Unser System und Gesellschaft ist auf Unterhaltung und Ablenkung um – programmiert und es kann sich bei manchen wie eine Droge auswirken und wenn man davon weg kommen will, wie ein harter Entzug.
Eliten nützen es bewusst oder auch unbewusst aus, um die Bevölkerung manipulieren und für ihre Ziele/Zwecke an leiten zu können. Auf Grund weiblichen Eigenschaften ist es einer Frau eher möglich in die Ruhe und ins Sein zu gehen. Aber ich stelle fest, wenn eine Frau Karriere machen „möchte“ und Männer in ihrem Tun nacheifert, kann sie auch in das Muster des Rastlosen und Machen wollen sowie Wettbewerbsdenken sich verstricken. Dann gibt es leider keinen Unterschied mehr zwischen Mann und Frau in unseren Führungsetagen, was sehr schade ist. Wenn aber Frauen aus der Ruhe und dem Sein heraus ins Machen und Tun kommen, kommt dabei ihre wertvolle Intuition nicht zu kurz und sie kann im Gegenteil eine echte Bereicherung „sein“. Dies macht dann wirklich den Unterschied. Und da können wir Männer selbstverständlich von solchen Frauen lernen und „müssen“ auch, wenn wir nicht eines Tages „ausbrennen“ wollen. Kooperation und Ergänzung kann in der Folge einer wertvollen Synergie Vorschub leisten.
Wünsche einen schönen Sonntag und beste Grüße im Moment aus der CH
Markus Menzi
Lieber Herr Menzi
Vielen Dank für Ihre Nachricht, und dass Sie Ihre Gedanken mit uns teilen.
Ich glaube rastlos sind wir alle – leider Kinder und Jugendliche noch mehr, da sie von Geburt an mit der digitalen Ablenkung leben müssen. Was einen gesunden Umgang mit (digitaler) Ablenkung betrifft, sind die meisten von uns Erwachsenen keine guten Vorbilder. Wie auch? Für uns ist diese ständige Betriebsamkeit auch etwas Neues.
Hinzukommt dieses ständige „höher, schneller, weiter“ – statt die Technik insofern für uns zu nutzen, dass wir mehr Zeit für uns und andere Menschen haben, stopfen wir den Tag nur mit Aufgaben voller. Jeder der zum Innehalten kommt – ob freiwillig oder erzwungen – kommt schnell zur alles entscheidenden Frage: Wozu das Ganze? Was macht Leben aus? Was gibt Sinn? Immer mehr Besitz? Sind die Grundbedürfnisse gestillt, braucht es da nicht vor allem Gemeinschaft und Begegnung? Nun, ich bin sicher, dass ein Umdenken bereits da ist und sich seinen Weg bahnt.
Herzliche Grüsse,
Silke Weinig
Liebe Silke Weinig
Zu dem ersten Feedback passt gerade, dass ich von einer Kollegin letzte Woche einen Link erhalten hatte.
Diesen Link angeklickt, war ich sofort im live Beitrag. Bei den ersten Worten war ich skeptisch aber durfte anschließend und mit der Zeit den außerordentlichen Gehalt im Beitrag erahnen und später teilweise erfassen.
Was mir durchaus aufgefallen war, etwa 95% waren weibliche Teilnehmer. Nicht erstaunlich, Männer waren kaum anzutreffen.
Während dem Live Beitrag ist mir aber auch die Spontanität und Kommunikationsfähigkeit vieler Teilnehmerinnen anhand hunderten von Kommentaren und Feedbacks aufgefallen. Sie waren nicht nur positiv und sicher konnten einige darum nicht bei sich selber bleiben.
Diesen wertvollen Beitrag will ich Ihnen nicht vorenthalten. Zum Glück ist er immer noch im Netz und wirkungsvoll, ja meiner Meinung nach noch wirkungsvoller weil diese live Kommentare nicht ablenken.
Hier der Link; https://www.youtube.com/watch?v=kscTHVZTPw4
All your best,
Markus Menzi
Lieber Herr Menzi
Vielen Dank für Ihre Nachricht. Den Link schaue ich mir gleich an.
In meinen Workshops hat es meistens auch mehr Frauen als Männer. Schade, dass viele Männer weniger die Möglichkeit wahrnehmen ihre Themen in einer Gruppe resp. überhaupt anzugehen. Frei nach Goethe denke ich „Das Leben ist zu kurz für schlechten Wein“. Wenn mir der Zahn weh tut, gehe ich doch auch zum Zahnarzt. Und, wenn ich Rückenschmerzen habe, zum Physiotherapeuten. Wieso allzu lange – gar für immer – das Leben mit lästigen Themen belasten?
Interessanterweise unterscheiden sich die Männer, die in meine Seminare kommen, in nichts gegenüber den Frauen. Sie haben eine ebenso grosse emotionale Intelligenz, sind gleichfalls einfühlsam und kreativ.
Ich hatte auch schon einmal eine reine Männergruppe. Die hat sich von der Dynamik und Atmosphäre in nichts unterschied von reinen Frauengruppen.
Herzliche Grüsse aus Zürich
Silke Weinig