Wie gute Freunde unser Leben verlängern
Freundschaften bereichern unser Leben. Sie müssen nicht zahlreich sein. Wir Menschen haben ein angeborenes Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Aber erst wenn Vertrautheit herrscht, erhält eine Beziehung Tiefe und Qualität. In dem Moment, da wir uns vorbehaltlos öffnen können, profitieren wir davon an Leib und Seele – das verlängert sogar unser Leben.
Zahlreiche Studien aus Medizin und Psychologie belegen, dass Verbundenheit und Vertrautheit mit einem Menschen Schlüssel zu Gesundheit und Langlebigkeit sind. Das Vertrauen, man selbst sein zu dürfen, sich aussprechen zu können und jemanden ins Vertrauen ziehen zu dürfen, sind unschätzbare Werte, die unserem Leben Sinn, Freude und Halt geben.
Freundschaften heben unser Selbstwertgefühl
Der niederländische Persönlichkeitspsychologe Jaap Denissen wertete Daten aus 32 Ländern aus und bestätigt, dass überall auf der Welt ein Mensch, der mindestens eine Person als seinen Freund bezeichnet, glücklicher ist, über ein höheres Selbstwertgefühl verfügt und sich besser aufgehoben fühlt.
Seit etwa 25 Jahren wird vermehrt zu diesem Thema Forschung betrieben, basierend auf den Überlegungen von Sigmund Freuds langjährigem Mitarbeiter und späteren Rivalen Alfred Adler. Er widmete sich intensiv der Frage, wie Freundschaft auf die Persönlichkeitsentwicklung und die seelische Gesundheit wirkt.
Seit der Antike wird geforscht, was Freundschaften ausmacht
Aber bereits in der Antike beschäftigte man sich ausführlich mit den Zusammenhängen zwischen Vertrautheit und Wohlbefinden – lange bevor moderne Verhaltenswissenschaftler die positiven Einflüsse wohltuender Freundschaften erforschten. So beschrieb Aristoteles vor 2300 Jahren in seinem Hauptwerk drei Arten von Freundschaften:
- Freundschaften, die uns nützlich sind (z.B. Geschäftsbeziehungen)
- Freundschaften, die wir zu unserem Vergnügen pflegen (z.B. durch gemeinsame Interessen oder Hobbys)
- Freundschaften, die durch Tugend begründet sind (enge emotionale Beziehungen)
Für Aristoteles war die letztere Form der Freundschaft die wertvollste, da sie auf gegenseitiger Anteilnahme und Fürsorge begründet ist. Diese Art von Freundschaft geschieht „grundlos“. Sie kennt und stellt keine Bedingungen, sie rechnet nichts auf. Eine derartige seltene Freundschaft bereichert das Leben und ermöglicht einem, die kleinen und die grossen Dinge des Lebens mit allen Sinnen zu begreifen.
Vertrautheit lässt den Blutdruck sinken
Seitdem ist viel passiert. Philosophen wie auch Wissenschaftler folgten Aristoteles im Bestreben herauszufinden, was eine gute Freundschaft ausmacht und wie positive Beziehungen auf unser geistiges und körperliches Wohlbefinden wirken. So konnten die Forscher Julianne Holt-Lundstad, Brandon Jones und Wendy Birmingham nachweisen, wie sich psychosoziale Faktoren auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken. Sie fanden heraus, dass die Wahrnehmung von Nähe zu einem Menschen die Gesundheit positiv beeinflusst und ein wichtiger Faktor bei der Genesung ist.
Mitterweile ist der positive Einfluss von Vertrautheit wissenschaftlich mehrfach belegt worden. Als gesichert gilt: Menschen, die mindestens eine vertrauensvolle Freundschaft pflegen, weisen einen besseren allgemeinen Gesundheitszustand auf als Menschen ohne Vertraute. Sie sind weniger von chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck, Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen. Zudem sind sie widerstandfähiger und weniger anfällig für Depressionen oder Ängste.
Länger leben Dank guter Freunde
Eine Studie aus England belegt ausserdem den lebensverlängernden Einfluss von tiefen Freundschaften: Bei Frauen verlängert sich die Lebensspanne um vier, bei Männern sogar um fünf Jahre. Ein Grund hierfür mag sein, dass alleine schon die Möglichkeit, sich mit jemandem über intime Gefühle und Sorgen austauschen zu können, uns davon abhält, in ungesunde Verhaltensweisen zu flüchten. Ein guter Freund sagt uns einfühlsam, wann wir auf uns aufpassen sollen. Er vertraut zudem darauf, dass wir mit dieser vermeintlichen Kritik umgehen können.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Studie der Flinders University im australischen Adelaide. Dort haben Forscher Daten aus einer Langzeitstudie ausgewertet, die 1992 gestartet wurde. Im Fokus der Analyse standen das soziale Umfeld, die gesundheitliche Verfassung, der Lebensstil und die Überlebensraten von mehr als 1500 Personen im Alter von über 70 Jahren. Das Ergebnis war, dass ein Netz an freundschaftlichen Beziehungen die Lebenserwartung um bis zu 22 Prozent hebt.
Was hält eine Freundschaft lebendig?
Auch heute sind sich Philosophen und Wissenschaftler einig, dass eine selbstlose, quasi „grundlose“ Freundschaft zu einem Menschen wohl die tiefste und langlebigste ist. Es braucht jedoch seine Zeit, bis man zueinander findet. Sich zu öffnen und gegenseitig zu unterstützen erfordert gemeinsame Erlebnisse und die Erfahrung, dass man sich aufeinander verlassen kann. Viele geben weder sich noch dem anderen diese Zeit.
Zudem wird oftmals die Pflege der Freundschaft unterschätzt. Wenn die verbindende Komponente einzig darauf beruht, dass man sich zum Feiern von Partys trifft oder bei Sport-Events amüsiert, dann ist die Freundschaft sehr zerbrechlich, da der Weggefährte austauschbar ist.
Sieben Tipps für eine lebendige Freundschaft
Was kann man stattdessen tun, um eine Freundschaft lebendig zu gestalten – mit Spass und gleichzeitig Tiefgang? Hier einige Ideen:
1. Gemeinsame Erinnerungen. Ermöglichen Sie gemeinsame Erlebnisse, die gemeinsame Erinnerungen schaffen – so bekommt die Freundschaft eine lebendige und einzigartige Identität.
2. Geben und Nehmen in Balance. Achten Sie auf eine gute Balance zwischen Geben und Nehmen. Das gilt für das Aussprechen von Gefühlslagen und Problemen wie auch für das Zuhören.
3. Seien Sie authentisch und offen. Kommunzieren Sie klar und ehrlich, damit der andere Sie auch wirklich verstehen kann. Egal wie lange Sie sich kennen, es ist wichtig, insbesondere in Gefühlsdingen verständlich zu sein. Ein „Du weisst schon, wie ich das meine“ kann zwar schnell mit einem Nicken bejaht werden, muss aber nicht bedeuten, dass der andere Sie tatsächlich versteht. Umkehrt dürfen Sie nachfragen, wenn Sie etwas genauer wissen möchten.
4. Feiern Sie den Anderen. Auch Freude und Erfolg zu teilen sind Zeichen guter Freundschaft, da dies echtes Interesse und Wertschätzung beweist.
5. Schenken Sie dem anderen Ihre Wertschätzung. Gegenseitiger Respekt, die Achtung vor einer Person, die Anerkennung ihrer Leistungen, die Wertschätzung ihrer Fähigkeiten, das sind Fundamente, die tragen.
6. Überfordern Sie den anderen nicht, selbst dann nicht, wenn er anbietet, dass Sie jederzeit mit jedem Thema zu ihm kommen können. Es können ungesunde Abhängigkeiten entstehen. Zudem besteht die Gefahr, dass der andere eines Tages beim wiederholten Seelenstriptease doch aus der Freundschaft ausbricht.
7. Lernen Sie, Gegensätze auszuhalten. Ein Freund kann auch ein Freund sein, wenn er Sie kritisiert. Womöglich ist er genau deswegen ein Freund. Mit Kritisieren ist dabei kein „Bescheidsagen“ gemeint, sondern wertschätzendes und konstruktives Feedback. An einem solchen Feedback-Gespräch können Sie, Ihr Freund und Ihre Freundschaft wachsen. Seien Sie Brückenbauer und kein Zerstörer.